Vom Autographensammeln
Zu den besonderen Schätzen der SLUB zählt die sogenannte „Dresdner Reformatorenbibel“ mit den Einträgen und Porträts sämtlicher Wittenberger Theologen. Die Vorbereitungen zu dieser Ausstellung konnten ihr Geheimnis lüften: Der Wittenberger Erzschmied Hans Reichknecht besaß die handkolorierte Lutherbibel und sammelte die schriftlichen „Reliquien“ Luthers und seiner Kollegen. Nachgewiesen ist er in Wittenberg in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Er hat einen Teil der Autographe nicht direkt von den Protagonisten, sondern von deren Nachkommen erbeten, die teilweise eigenhändig die Echtheit der Zeugnisse bestätigt haben. Reichknecht selbst trug sich ebenfalls, wenn auch an versteckter Stelle, ein: „O liebe Kinder leset fleißig unsere Bibel, / so behält unser Haus einen Giebel. H.R. 1560“ schrieb er unter einen kolorierten Holzschnitt Lucas Cranachs, der die Erschaffung der Welt darstellt.
Paul Eber: Bucheintrag, Juni 1562
Signatur: Mscr.Dresd.A.51.a
Der Wittenberger Theologieprofessor und Stadtpfarrer Paul Eber (1511–1569) schrieb, ja malte mit übergroßen hebräischen Buchstaben seinen Wahlspruch Psalm 119,105 in die Bibel des Wittenberger Erzschmiedes Hans Reichknecht. Durch den schweren Wasserschaden, den die Bibel im Frühjahr 1945 erlitt, schlug sein Porträt auf seine Eintragung durch und erzeugte ein ganz eigenes Bild.
„Album“ des Autographensammlers V.M.R., 1557
Signatur: Theol.ev.asc.965
Vermutlich hat der Leipziger Buchbinder Thomas Stelbogen diesen kunstvollen Einband mit den Porträts Luthers und Melanchthons gestaltet. Der sich hinter den Initialen „V.M.R.“ verbergende Besitzer des Buches ließ vor fünf typische Erbauungsschriften der Zeit weitere acht leere Blätter als Vorsatz einbinden und sammelte in diesem „Album“ Autographe der Wittenberger Reformatoren Philipp Melanchthon, Johannes Bugenhagen, Georg Major und Paul Eber.
Johannes Bugenhagen und Georg Major: Bucheinträge in einer Reformatorenbibel
Signatur: S.B.8
Neben den hier gezeigten Einträgen Johannes Bugenhagens (1485–1558) und Georg Majors (1502–1574) trugen sich auch Philipp Melanchthon und Johann Forster (1496–1558) in diese 1545 bei Hans Lufft in Wittenberg gedruckte Lutherbibel ein. Anzunehmen ist, dass dieser Brauch, die Familienbibeln sozusagen autorisieren – und auratisieren – zu lassen, viele Nachahmer fand.