Alle schrifft von Gott eingegeben
Der im 16. Jahrhundert in Wittenberg entstandene Brauch, Bucheinträge der Reformatoren in Lutherbibeln zu sammeln, bildete eine ganz eigene Textgattung heraus, die auch als solche wahrgenommen wurde. Georg Rörer (1492–1557), ein Schüler Luthers, sammelte diese Zeugnisse und ließ sie 1547 unter dem Titel „Vieler schönen Sprüche aus Göttlicher Schrift auslegung, daraus Lehre und Trost zu nehmen, welche der ehrwürdige Herr Doctor Martinus Luther seliger vielen in ihre Biblien geschrieben“ in Wittenberg bei Hans Lufft drucken. Die Bucheinträge zeigten meist dasselbe Muster: Einem Bibelzitat – lateinisch oder deutsch – folgte eine kurze Auslegung, autorisiert durch Datum und Unterschrift. Den hier gezeigten Eintrag schrieb Luther für Bartholomäus Schönborn (1530–1585), einen Wittenberger Studenten. Einer handschriftlichen, 1544 datierten Notiz Schönborns am Anfang der Bibel zufolge erhielt er diese vom Fürsten Georg von Anhalt als Geschenk. Zuvor gehörte die Bibel mutmaßlich dem Fürsten Wolfgang von Anhalt-Köthen, der sich schon 1521 zur Reformation bekannt hatte. Der eingeklebte kolorierte Porträtholzschnitt stammt dem Signet nach von Lucas Cranach dem Jüngeren (1546).
Martin Luther: Bucheintrag in einer Lutherbibel, 1545
Signatur: S.B.4