Machsor mecholl haschana
Der Machsor (eigentlich „Zyklus“) enthält als jüdisches Gegenstück zum christlichen Brevier die teilweise gesungenen Gebete für die sieben besonderen Sabbate und die Feiertage des jüdischen Jahres sowie verschiedene liturgische Dichtungen (Pijutim). Der älteste datierte aschkenasische Machsor, der sogenannte Wormser Machsor (heute Jerusalem, The Jewish National and University Library, Ms. Heb. 4° 781,1-2), stammt von 1272/1273.
Die in der SLUB aufbewahrte Handschrift bildet den ersten Teilband eines aschkenasischen Machsors, der um 1290 im südwestdeutschen Raum (Esslingen?) von Reu'ben, einem Schüler des Rabbi Meir von Rothenburg (gest. 1293), geschrieben und von einem christlichen Künstler illuminiert wurde.
Der zweite Teilband befindet sich heute in der Universitätsbibliothek Breslau/Wrocław. Das stattliche Format (53 x 38 cm; 293 bzw. 300 Pergamentblätter), die große hebräische Quadratschrift mit relativ großem Zeilenabstand, die prächtige Ausstattung (Miniaturen in Deckfarben und Gold, Architekturrahmen, verzierte Initialwörter) sowie von anderer Hand vorgenommene liturgische Notizen lassen auf den Gebrauch der Bände in der Synagoge schließen. Der Dresdner Teil (Mscr.Dresd.A.46.a) enthält die Liturgie zu den besonderen Sabbaten des Purim-, Pessach- und Schawuotfestes, der Breslauer Teil (Ms.Or.I 1) die Liturgie zu den Sabbaten der Feiertage Rosch ha-Schana, Jom Kippur und Sukkot. Einige der Notizen im Breslauer Teil beziehen sich auf liturgische Bräuche der Wormser Gemeinde. Wann die beiden Teile getrennt wurden, ist bislang nicht bekannt. Der Dresdner Band wurde erstmals im „Catalogus manuscriptorum Bibliothecae Electoralis“ von 1755 verzeichnet (SLUB, Bibl.Arch.I.B,Vol.132,Nr. 211). Jüngeren Forschungen zufolge hat der englische Antiquar Jeremiah Milles (1714–1784) den Codex bereits um 1735 in der Kurfürstlichen Bibliothek gesehen. Der Breslauer Teil gehörte laut Besitzeintrag 1595 dem Magister Gregor Grunow, 1595-1613 Prediger in Göritz (Górzyca) unweit Frankfurt / Oder, von wo aus der Band 1811 mit den Beständen der aufgelösten Viadrina nach Breslau kam.
2008 wurden beide Teile in Kooperation zwischen der SLUB Dresden und der UB Breslau/Wrocław digitalisiert und online verfügbar gemacht:
Teil I: Dresden, SLUB, Mscr.Dresd.A.46.a
über die Digitalen Sammlungen der SLUB
über die Digitalen Sammlungen der UB Breslau/ Wrocław
Teil II: Breslau/Wrocław, Biblioteka Uniwersytecka, Ms. or. I 1
über die Dighitalen Sammlungen der SLUB
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