Konfessionsstreit
In seinen Streitschriften über den Ablass übt Luther vor allem Kritik an der praktischen Ausübung der Sakramente durch die römische Kirche und ihre Heilsnotwendigkeit, er argumentiert für den Sakramentscharakter des Worts und weist die Heiligenverehrung zurück. So können Sünden allein aus Gottes Gnade, nicht aus dem Erlass durch die päpstliche Kirche, erlassen werden.
Sich auf die Prinzipien Sola scriptura (=Wort Gottes), Sola fide (= Glaube) und Sola gratia (=Gnade) berufend, sieht er das Priestertum als ein Priestertum aller Gläubigen und nicht nur -wie die katholische Kirche- des geweihten Standes. Weiterhin gibt er der Heiligen Schrift selbst Autorität und nicht den Päpsten und Konzilen und lehnt somit die Lehrautorität der Kirche ab. Die Kirche versteht er als Gemeindekirche und nicht als eine Kirche des Papstes.
Nach der Disputation im Jahre 1519 in Leipzig zwischen Martin Luther, Andreas Bodenstein und Johannes Eck kam es innerhalb der reformatorischen Bewegung zu weiteren Zerwürfnissen. Der Streit zwischen Luther und Ulrich Zwingli (1584-1531) eskalierte um die Bedeutung des Abendmahls. Luther sah im Abendmahl eine sakrale Aufladung unter Anwesenheit Jesus Christus.
Anhand der hier ausgestellten Streitschriften bezüglich des Ablasses, des Papsttums und der Sakramente lassen sich Konfliktpotential und Performativität von beleidigender – invektiver – Sprache nachvollziehen. Rückschlüsse auf eine entsprechende Medienwirksamkeit konfessioneller, oft polemischer Auseinandersetzungen auf einer öffentlichen Bildfläche erscheinen daher naheliegend.
Luthers Kritik am Papsttum
Papst Leo X.: Bulla Decimi Leonis, contra errores Martini Lutheri, & sequacium. [Straßburg]: [Johann Schott], [1520]. Signatur: Hist.eccl.E.271,26
Maße: 19,5 x 15 cm
Die berühmte Banndrohungsbulle „Exsurge Domine“ stellt eine Verdammung Luthers durch den Papst Leo X. dar. Sie kritisiert Luthers Lehren in 41 zitierten „Irrtümern“ in Bezug auf seine Ablasskritik, sein Sünden- und Bußverständnis und seinen Glauben an eine Versöhnung des Menschen mit Gott - allein durch dessen Gnade. Die Bulle wurde von einer kurialen Kommission, darunter war auch Johannes Eck, Anfang des Jahres 1520 ausgestellt, jedoch erst im Oktober in Wittenberg bekannt.
Luther, Martin: Eyn sendbrieff an den Bapst Leo den czehenden. Wittembergk: [Johann Rhau-Grunenberg], 1520. Signatur: Hist.eccl.E.279,22
Maße: 21 x 15,5 cm
Digitalisat in den Digitalen Sammlungen.
Im September 1520, kurz nach der Veröffentlichung seiner Schrift Von der Freiheit eines Christenmenschen und kurz bevor die Banndrohungsbulle Leos X. im Oktober in Wittenberg bekannt wurde, stimmt Luther auf Drängen der kursächsischen Schutzherrschaft unter Friedrich dem Weisen einem diplomatischen Verhandlungsversuch zu. Der Sendbrief sollte seine radikale theologische Haltung vor dem Papst rechtfertigen und die Schuld an dem Zerwürfnis mit Rom allein Johannes Eck anlasten.
Luther, Martin: Warumb des Bapsts vnd seyner Jungern bucher von Doct. Martino Luther vorbrat seynn: Lasz auch antzeygen wer do wil, warumb sie D. Luthers bucher vorprennet haben. Wittembergk: [Rhau-Grunenberg], 1520. Signatur: Hist.eccl.E.301,30
Maße: 20,5 x 26,5 cm
Der Papst gewährte Luther nach Veröffentlichung der Bannandrohungsbulle 60 Tage Widerrufsrecht. Als Antwort darauf reagierte er am 10. Dezember, dem letzten Tag dieser Frist, mit einer Verbrennung von Schriften seiner Gegner, darunter auch die Bulle. In dieser Flugschrift begründet Luther diese Handlung und besiegelt damit den Bruch mit dem Papst. Mit der päpstlichen Bulle „Decet Romanum Pontificem“ vom 3. Januar 1521 wird der Bann Luthers vollzogen.
Martin Luther: Wider das Bapstum zu Rom vom Teuffel gestifft. Wittemberg: [Hans Lufft], 1545. Signatur: 3.A.6406
Maße: 19 x 28 cm
Digitalisat in der Detschen Fotothek.
Auf Veranlassung des sächsischen Kurfürsten verfasst Martin Luther 1545 zu Beginn des Trienter Konzils diese letzte Schrift zum Thema Papsttum. Darin stellt er die Legitimität des Papstes als Oberhaupt der Kirche sowie seine alleinige Befugnis zur Einberufung eines Konzils infrage. Mit einem breiten historischen Abriss über das Papsttum erklärt Luther die Zwiespältigkeit des Papstes zwischen Machtstreben und Glauben, die ihn dazu führe, das Evangelium zu verleugnen.
„In des sehen vnd h[oe]ren wir / wie der Babst so ein meisterlicher Geuckeler ist / Den[n] gleich wie ein Gauckler den albern leuten ins maul g[ue]lden gauckelt / Aber wenn sie es auf thun / so haben sie pferds dreck drinnen“
Ablassstreit
Luther, Martin: Eyn Sermon von dem Ablas vñ gnad: Eyn Freyheyt des Sermons Bebstlichen Ablas vñ [und] gnad belangend. Wittenbergk: [Johann Rhau-Grunenberg], 1520. Signatur: Hist.eccl.E.305,16
Maße: 18,5 x 14 cm
In seinem 1518 erstmals erschienenen Sermon argumentiert Luther in zwanzig Artikeln gegen den von der Papstkirche praktizierten Sündenerlass durch den Ablasshandel. Luther besteht auf Reue und Umkehr eines Christenmenschen. Ablass dagegen sei etwas für die „faulen und ſchlefferigen Chriſten“. (Art. 16)
Johann Tetzel: Vorlegung gemacht […]: Wyder eynen vormessen Sermon von tzwentzig irrige Artickeln bebstlichen Ablas un Gnade belangede. [Leipzig]: Lotter, [1518] . Signatur: Hist.eccl.E.357,4
Maße: 20 x 15 cm
Eine Antwort auf Luthers „Sermon von dem Ablas vñ gnad“ (1518) liefert Johann Tetzel, indem er Schritt für Schritt jeden seiner zwanzig Artikel beantwortet und im Namen der Papstkirche rechtfertigt. Er sieht den Ablass als eine Notwendigkeit, den Christen durch die Strafe Gottes zu wahrer Reue und Gottesliebe zu erziehen. Der Angriff Luthers auf den Papst durch seine Ablasskritik mache ihn zu einem Hetzredner und Ketzer, wie es etwa John Wyclif oder Jan Hus waren.
Luther, Martin: Eyn Freyheyt Deß Sermons Bebst=lichẽ ablaß vnd gnad belangend Doctoris Martini Luther: widder die vorlegung, ßo czur schmach seyn. vnnd desselbẽ Sermõ ertichtet. [Leipzig]: [Valentin Schumann], 1518.
Signatur: Hist.eccl.E.305,17
Maße: 19 x 14,5 cm
Digitalisat in den Digitalen Sammlungen.
Im Juni 1518 reagiert Luther auf Tetzels Angriff und versucht jene „vorlegungen und vorleſterungẽ“ lächerlich zu machen. Wo sein „Sermon von dem Ablas vñ gnad“ noch mit ‚thesenhafter Nüchternheit‘ behaftet war, verdeutlicht der polemische Sprachgebrach in dieser Schrift doch, wie schnell sich theologische Dispute in der Reformationszeit in gegenseitige Schmähungen verwandeln konnten.
Streit über die Sakramente
Urbanus Rhegius: Wider den newen irrsal Doctor Andres von Carlstadt. [Augsburg]: [Simprecht, Ruff], 1524. Signatur: Hist.eccl.E.340,20
Maße: 19,5 x 15 cm
Die Flugschrift von Urbanus Rhegius gegen Andreas Bodenstein von Karlstadt ist Teil des im Herbst 1524 ausbrechenden Abendmahlstreites, einer der schärfsten innerreformatorischen Auseinandersetzungen. Rhegius argumentiert gegen drei Thesen Karlstadts, der dem Abendmahl die Vergebung von Sünden, die Realpräsenz Christi und die Heilsgewissheit durch das Sakrament abspricht. Der Streit konnte auch bei einem Zusammentreffen Luthers und Zwinglis 1529 nicht beigelegt werden.
Martin Reinhart, Andreas Karlstadt, Martin Luther: Wesz sich doctor Anndreas Bodenstein von Karlstadt mit doctor Martino Lutther, beredt zu Jhenn, Vnnd wie sy wider einander zuschreibenn sich entschlossen haben. [Wertheim]: [Georg Erlinger], [1524]. Signatur: Hist.eccl.E.244,24
Maße: 19,5 x 15 cm
Die Schrift von Martin Reinhart, einem Anhänger Karlstadts, dokumentiert in Dialogform das so genannte „Jenaer Streitgespräch“, das zwischen Luther und Karlstadt am 22. August 1524 im Gasthaus „Zum Schwarzen Bären“ stattfand. In der Predigt, die Luther morgens gehalten hatte, fühlte sich Karlstadt durch die Bezeichnung „geist zu Alstett“ (eine Anspielung auf Thomas Müntzer) angegriffen. Er weist eine Verbindung zu Müntzer und dessen Anstiftung zu „aufrur un[d] mord“ zurück. Der Streit weitet sich zu einer Disputation über das Sakrament des Abensmahls aus.
Martin Luther: Ein Sermon von dem heiligen hoch=wirdigen Sacrament der Tauffe doctoris Martini Luther Augustiner. Leypßgk: Stoeckel, 1520. Signatur: Hist.eccl.E.296,18
Maße: 20,5 x 15 cm
Digitalisat in der Detschen Fotothek.
In Luthers erster Abhandlung zum Sakrament der Taufe entwickelt er sein Verständnis an den drei Taufkategorien des Augustinus (354–430): Zeichen, Bedeutung und Glaube. Nach Luther werden alle Menschen in Sünde geboren und durch die Taufe zu einem christlichen, rein ‚gewaschenen‘ Menschen. Dies verbanne nicht alle Sünden aus dem Menschen, doch könne er sich durch seine Reue und im Gedenken an seine Taufe der Vergebung durch die Gnade Gottes gewiss sein.
Kaum gedruckt, schon veraltet
Der Titelholzschnitt zu Luthers Schrift „Ein Sermon von dem heiligen hoch=wirdigen Sacrament der Tauffe“ wurde 1520 bei Wolfgang Stöckel in Leipzig gedruckt, noch vor Erscheinen der „Babylonischen Gefangenschaft der Kirche“ (im Oktober 1520) und der Augsburger Konfession (1530), die nur noch die Sakramente der Taufe, des Abendmahls und der Buße anerkennen. Demgegenüber sind hier noch alle sieben Sakramente der römischen Kirche vertreten. Ausschlaggebend für den Ausschluss der übrigen Sakramente durch Luther war ihr Fehlen im Neuen Testament. Das Titelblatt ist auf vier Leipziger Druckausgaben aus dem Jahr 1520 nachgewiesen, danach jedoch nicht mehr.
In der Frühen Neuzeit war es nicht unüblich, dass so reich ausgestaltete Titelholzschnitte in ärmeren Haushalten als Andachtsbilder verwendet wurden, da die Bildgegenstände zur tiefen spirituellen Meditation einluden.
Die sieben Sakramente der römischen Kirche erscheinen angeordnet um eine zentrale Christusdarstellung in Form eines Schmerzensmannes. Der vom Kreuz abgenommene Christus mit Dornenkrone präsentiert mit der linken Hand seine Wundmale. In seiner rechten Hand "hält" er die Sakramente; dünne Linien führen von seiner Hand zu den Orten der mystischen Handlung bzw. Erfahrung Christi. Eine ähnliche Darstellung des Schmerzensmannes, der die Sakramente hält, findet sich auch in einer Darstellung des Nürnberger Graphikers Wolf Traut von 1510. Haltung wie Gestalt des Schmerzensmannes weisen große Ähnlichkeiten zu unserem Holzschnitt auf und könnten zur Vorlage gedient haben. Durch die Verbindungslinien "in" seiner Hand wird die Realpräsenz Christi in den Sakramenten verdeutlicht, ganz besonders - daher im Titelholzschnitt zentral unter der Christusdarstellung abgebildet -
in der Eucharistie. In ihr offenbart sich die Passion Christi. Während des Abendmahlstreites ab 1520 wurde in Kreisen der Reformatoren darüber diskutiert, ob es sich bei der Eucharistie um eine reale oder symbolische Präsenz des Opfertodes Jesu handle. Martin Luther vertrat dabei die Ansicht, dass sich die Person Christi und das Heilsgeschehen des Abendmahls in der Wandlung real ereignen.
In einem Tabernakel ist die Hostie als Verkörperung des Leibes Christi dargestellt. Die zentrale Position unter dem Schmerzensmann unterstreicht die Realpräsenz Christi bei der Eucharistie und die Wichtigkeit des Abendmahls als Sakrament.
Um die Christusdarstellung und die Eucharistie gruppieren sie die sechs restlichen Sakramente:
Taufe
Dargestellt ist ein Priester, der ein neugeborenes Kind über ein Taufbecken hält. Zu seiner Linken steht ein Messdiener mit einem Taufkännchen(?). Gegenüber steht der Taufpate, der seine Hand über den Täufling hält.
Firmung
Auf diesem Bild sieht man einen Bischof sowie den Firmpaten, dessen Hand auf der Schulter des Firmlings ruht.
Buße
Die Abbildung zeigt den Akt der Beichte. Hinter dem „Sünder“ stehen sowohl ein Teufel als auch ein Engel. Den Beichtenden trennt ein einfacher Beichtstuhl vom Priester.
Priesterweihe
Der Bischof hält bei der Weihe eines Mönchs die Hände über seinen Kopf. Er liest die Segnung aus einem Messbuch in Anwesenheit der Ordensgemeinschaft.
Ehe
Bräutigam und Braut stehen sich gegenüber und reichen sich die Hände. Ein Priester zwischen ihnen hält segnend seine Hände darüber. Die Verbindungslinie des Schmerzensmannes verläuft in diesem Fall zu den Händen, also zum „Ort“ der mystischen Präsenz.
In einem Bett liegt der Kranke und wird von einem Priester gesalbt. Auf dem Tisch zu seiner Linken stehen die notwendigen Utensilien dafür: Weihwasser, Kerzen und die heiligen Öle.