Das Passional Christi und Antichristi

Martin Luther / Philipp Melanchthon / Lucas Cranach [Illustrator]: Passional Christi vnd Antichristi. - [Wittenberg]: [Rhau-Grunenberg], [1521]. Signatur: Hist.eccl.E.319,2
Digitalisat in den Digitalen Sammlungen.

Das „Passional Christi und Antichristi“ von 1521 nimmt unter den Flugschriften der Reformationszeit eine Sonderstellung ein. Ähnlich den spätmittelalterlichen Heilsspiegeln werden darin jeweils zwei Bilder miteinander verbunden: Aufeinander bezogenen Bibelstellen und Bildern, die jeweils Szenen aus dem Leben Christi zeigen, werden kommentierte Darstellungen des Papstes gegenübergestellt.
Dabei wird der Papst mit dem Antichrist gleichgesetzt, dem in der Offenbarung des Johannes angekündigten teuflischen Verführer, der vor der Wiederkehr Christi eine Schreckensherrschaft ausübt.

Eine Vorlage dazu bildete bereits John Wyclifs Streitschrift „De Christo et suo adversario Antichristo“ von 1383/1384, die ebenfalls Tugenden Christi und Verfehlungen der Päpste verglich. In Handschriften und Drucken verbreitete sich diese Schrift insbesondere unter den böhmischen Hussiten, die sie mit Bildern versahen.

Das „Passional Christi und Antichristi“ entstand aus einer Zusammenarbeit Melanchthons, der die Bibelstellen auswählte, mit dem
Wittenberger Juristen Johann Schwertfeger, der die Kommentierung der päpstlichen Dekrete und des kanonischen Rechts übernahm. Luther war nicht direkt an der Entstehung beteiligt, äußerte sich aber in Briefen sehr zufrieden darüber. Die Holzschnitte stammen von Lucas Cranach d.Ä., der dafür auf eigene Arbeiten und zwei Passionszyklen von Albrecht Dürer zurückgriff.

Durch die Verbindung von Text und Bild erfuhr diese Flugschrift eine besonders schnelle Verbreitung, so folgten bereits im Entstehungsjahr sieben weitere Auflagen und Nachdrucke. Übersetzungen, Neuauflagen und Faksimiles erschienen bis ins 19. und 20. Jahrhundert, so dass das Passional einer der wirkmächtigsten Texte der Reformatoren wurde.

 

Die folgende Auswahl aus dem Passional wird jeweils durch eine neuhochdeutsche Übersetzung ergänzt:

Christus verzichtet auf die ihm angebotene weltliche Macht - Der Papst verwehrt dem Kaiser den Zutritt zu seinem Palast

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Christus:
Als Jesus voraussah, dass sie kommen und ihn zum König machen würden, ist er abermals, ganz allein, auf den Berg geflohen. Joh 6 „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ Joh 18 „Die Könige der Welt, welche hier herrschen und Gewalt haben, werden gnädige Herren genannt, so ihr aber nicht, sondern derjenige, der der Größte unter euch ist, soll sich als der Geringste erniedrigen.“ Lk 22

Antichristus:
Aus der Obrigkeit, die wir ohne Zweifel zum Kaisertum haben und kraft unserer Gewalt, sind wir der gesetzliche Erbe des Kaisertums, falls es erlösche sollte. Alles in allem. Nichts anderes ist in dem päpstlichen Kirchenrecht zu finden, als dass er seinen Abgott und Antichrist über alle Kaiser, Könige und Fürsten erheben würde, so wie es Petrus gesagt hat. Es werden anmaßende Bischöfe kommen, die die weltliche Herrschaft verachten. 2 Petr 2

 

Christus wäscht und küsst seinen Jüngern die Füße - Kaiser, König und Edelmann küssen dem Papst die Füße

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Christus:
„So wie ich euch eure Füße gewaschen habe, der ich euer Herr und Meister bin, umso vielmehr sollt ihr euch untereinander die Füße waschen. Hiermit habe ich euch eine Anleitung und ein Beispiel gegeben. Wie ich es getan habe, so sollt ihr es künftig auch tun. Wahrlich, wahrlich sage ich euch, der Knecht ist nicht mehr als sein Herr, so ist auch nicht der gesandte Bote mehr als der, der ihn gesandt hat. Wisst ihr das? Selig seid ihr, so ihr das tun werdet." Joh 13

Antichristus:
Der Papst lässt sich anmaßender Weise von den Menschen die Füße küssen, so wie es alle Tyrannen und die heidnischen Fürsten tun. Damit es wahr werde, was geschrieben ist. "Wer die Abbildungen dieser Bestie nicht anbetet, soll getötet werden." Offb 13 Dieser Küsse darf sich der Papst in seinen Dekretalien unverschämt rühmen.

 

Christus und Apostel auf einem Fußmarsch - der Papst lässt sich in einer Sänfte in seinen Palast tragen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Christus:
Als Jesus einen weiten Weg gegangen war, ist er müde geworden. Joh 4 „Der mir folgen will, der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir.“ Mt 16 Er hat sein Kreuz selbst getragen und ist zu der Stelle, die Calvarie[nberg] genannt wird, gegangen. [Joh] 19

Antichristus:
Das Kapitel Si quis fuadente und dergleichen zeigt genügend an, wie gern der Papst das Kreuz der Widerwärtigkeit duldet, da er alle, die Hand an die Pfaffen legen, verflucht und dem Teufel übergibt. Auch der Papst trägt also das Kreuz, das getaufte Christen auf ihren Schultern tragen müssen.

das Christkind in Windeln gehüllt in der Krippe - der Papst als geharnischter Feldherr bei einer Belagerung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Christus:
Die Füchse haben ihre Gruben und die Vögel der Luft ihre Nester. Aber der Menschensohn hat nichts, worauf er sein Haupt legen kann. Lk 9 Dieser, obwohl er reich war, ist dennoch unseretwegen arm geworden und seine Armut hat uns reich gemacht. 2 Kor 8

Wir lösen alle bindenden Eide auf, die die Geistlichen geschworen haben und ordnen an, dass man nicht nur mit dem geistlichen, sondern auch mit dem weltlichem Schwert ihre Güter beschützen soll, solange bis sie ihre entwandten Güter wieder haben. Auctoritaten Und wer in diesem Krieg stirbt und verdirbt, wird das ewige Leben erlangen. Selbst wenn Christenblut darüber vergossen worden ist, kann man gewiss sein, seinen Besitz als rechtmäßig zu betrachten.

Christus vertreibt die Geldwechsler und Händler aus dem Tempel - der Papst beim Verkauf von Ablassbriefen in einer Kirche

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Im Tempel traf er Verkäufer von Schafen, Ochsen und Tauben an. Und es saßen Geldwechsler dort. Einer hat aus Stricken eine Geißel gemacht und alle Schafe, Ochsen, Tauben und Geldwechsler aus dem Tempel verjagt. Er verschüttete das Geld, warf die Zählbretter um, zu denen, die Tauben verkauften, sagte er: „Verschwindet damit. Aus meines Vaters Haus sollt ihr kein Kaufhaus machen.“ Joh 2 „Was Ihr unentgeltlich bekommen habt, da sollt ihr unentgeltlich weitergeben.“ Mt 19 „Mitsamt Deinem Geld seist du verdammt.“ Apg 8

Hier sitzt der Antichrist im Tempel Gottes und führt sich als Gott auf wie Paulus 2 Thess 2 geschrieben hat. Er verändert -wie Daniel sagt- die göttliche Ordnung und unterdrückt die Heilige Schrift, verkauft Dispens, Ablass, Pallien, Bistümer, Lehen, fördert Bodenschätze, löst Ehen auf, beschwert mit seinen Gesetzen das Gewissen, spricht Recht und löst Urteile gegen Geld auf. Er macht Leute zu Heiligen, er lobpreist und verdammt bis ins vierte Geschlecht und befiehlt, dass seine Stimme wie die Stimme Gottes zu betrachten sei und keiner das Recht habe, zu widersprechen.

 

die Himmelfahrt Christi - die Höllenfahrt des Papstes

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vor ihrem Angesicht ist er aufgefahren und die Wolken haben ihn vor ihren Augen verschluckt. Dieser Jesus, der vor Euch in den Himmel aufgenommen worden ist, wird also wiederkommen, so wie Ihr ihn in den Himmel auffahren sehen habt. Apg 1 Sein Reich hat kein Ende. Lk 1 Wer mir dient, der wird mir nachfolgen und wo ich bin, da wird mein Diener auch sein. Joh 12

Die Bestie ist gefasst und mit ihr der falsche Prophet, der durch sie Zeichen gegeben hat, mit denen er die Menschen verführt hat. Diejenigen, die seine Zeichen übernommen haben und sein Bild zeigen, werden in des Feuers und Schwefels Tiefe versenkt und mit dem Schwert, das aus dem Mund des Reiters, der auf dem weißen Pferd reitet, getötet. Offb 19 Dann wird der Schurke offenbar werden. Jesus wird ihn mit seinem Atem töten und wird ihn durch die Herrlichkeit seiner Erscheinung stürzen. Thess 2