Material / Erhaltung / Präsentation
Die Dresdner Maya-Handschrift besteht aus 35 doppelseitig und 4 einseitig beschriebenen und bemalten Blättern. Die einzelnen Blätter mit den Maßen 20,5 x 9 cm bildeten ursprünglich einen als Leporello gefalteten Streifen mit einer Gesamtlänge von 3,56 m.
Der Beschreibstoff der Handschrift ist Amate (in Mayasprache ju'un "Buch"), ein aus Rindenbastfasern durch Weichen und Schlagen gefilztes Material, das bereits in der Klassischen Periode der Maya-Kultur verwendet wurde.
Nach einer Grundierung mit Kreide (Calciumcarbonat) und der Faltung wurden die Seiten mit einer Rußtinte beschrieben, mit Zeichnungen versehen und mit Farben aus einer Mischung von Indigo mit dem Mineral Palygorskit (sogenanntes Maya-Blau) und aus dem Mineral Hämatit (Rottöne) bemalt.
Als Schreib- und Malwerkzeuge dienten Federkiele und Haarpinsel. Ursprünglich war der Codex vermutlich mit schützenden Holzdeckeln versehen, die mit Jaguarfell überzogen waren.
Die ursprüngliche Reihenfolge der Blätter war möglicherweise schon 1786 verändert, als die brüchigen Verbindungshäutchen durch Goldschlägerhäutchen aus Rinderdarm ersetzt werden mussten.
Zunächst wurde der 1739 erworbene Codex nur ausgewählten Besuchern, damals noch in der ursprünglichen Leporello-Form, gezeigt. Wie aus dem ersten Handschriftenkatalog der Kurfürstlichen Bibliothek von 1755 hervorgeht, wurde die unter der Nummer 162 der orientalischen Handschriften im Oktavformat geführte Handschrift damals in einer Kapsel ("in Capsula") aufbewahrt.
Um die Handschrift vor Schäden durch zunehmende Benutzung zu schützen, entschloss sich der Dresdner Oberbibliothekar Constantin Karl Falkenstein 1835, das Manuskript in zwei Teile von 182,5 cm bzw. 174,3 cm Länge zu teilen, zwischen zwei Glasscheiben zu legen (s. Falkensteins "Beschreibung der Königlichen Öffentlichen Bibliothek zu Dresden", Dresden 1839, S. 281-285) und in einem sogenannten Zimelienzimmer zusammen mit anderen Kostbarkeiten (Zimelien) der damals im Japanischen Palais untergebrachten Königlichen Öffentlichen Bibliothek einem breiteren Publikum zu präsentieren.
Spätestens 1935 wurden die beiden verglasten Teile getrennt in zwei freistehenden Vitrinen im neu eingerichteten Buchmuseum im Erdgeschoss des Japanischen Palais aufgehängt, sodass man sie von beiden Seiten betrachten konnte.
1939 wurde der Codex nach Schirgiswalde bei Bautzen in einen Banktresor ausgelagert. Kurz vor dem ersten Bombenangriff auf Dresden am 13. Februar 1945 verbrachte man ihn mit vielen anderen wertvollen Handschriften in einen vermeintlich sicheren Tiefkeller des Japanischen Palais, um ihn vor der herannahenden Roten Armee in Sicherheit zu bringen.
Bei der Zerstörung des Gebäudes drang jedoch Wasser in den Keller und in die Stahlschränke mit den Kostbarkeiten. Zwar hielt auch das Stahlbehältnis, in dem die Maya-Handschrift lag, nicht dicht, aber dank der Verglasung wurden dabei nur die Randbereiche geschädigt. Beim Öffnen der Glasscheiben zur Trocknung und Konservierung blieb allerdings die brüchige Kreideschicht stellenweise am Glas hängen. Außerdem wurden beim Verschließen 3 Blätter (S. 6, 7, 8 bzw. S. 38, 39, 40) irrtümlich um 180° gedreht eingelegt.
1952 konnte der Codex im Buchmuseum des interimistischen Bibliotheksstandortes Marienallee wieder ausgestellt werden (liegend in einer mit Spiegeln ausgestatteten Vitrine).
Heute ist die Maya-Handschrift Mittelpunkt der Schatzkammer des Buchmuseums der SLUB. Sie wird unter optimalen klimatischen Bedingungen und Lichtverhältnissen in einer mit Spiegeln ausgestatteten Panzerglasvitrine weiterhin in zwei Teilen zwischen Glasplatten liegend ausgestellt.
Bittinger, Christa ; Trautmann, Antje ; Mayer, Manfred ; Banik, Gerhard: Codex Dresdensis : Zustandsbeschreibung, Aufbewahrungs- und Ausstellungsbedingungen, Transportkonzeption. In: PapierRestaurierung : Mitteilungen der IADA, Vol. 2 (2001) Suppl., S. 15-20. Online (PDF)
Buti, D. u. a.: Non-invasive investigation of a pre-Hispanic Maya screenfold book: the Madrid Codex. In: Journal of Archaeological Science 42 (2014), S. 166-178. Online (PDF)